Als Teil dieses bundesweiten Aktionstags, der die digitale Teilhabe in der Gesellschaft fördert, haben wir uns an einer verbändeübergreifenden Expert*innen-Diskussion beteiligt. In ganz Deutschland und im virtuellen Raum wurden über 2.000 Aktionen und mehr als 5.000 Stunden Programm angeboten.

Digitale Teilhabe ist Voraussetzung für soziale Teilhabe. Um einen souveränen Umgang mit digitalen Technologien zu ermöglichen, sind spezifische Kompetenzen notwendig. Eine aktuelle Studie zum Digitaltag zeigt, dass 86% der Befragten eine Förderung von Medienkompetenz wünschen. Doch welche digitalen Kompetenzen brauchen Menschen heutzutage? Welche Bedarfe haben gerade Armutsbetroffene bei dem Erlernen digitaler Kompetenzen? Aus der Praxis schließt sich die Frage an, welchen Beitrag die Wohlfahrtspflege leisten kann.

Gemeinsam mit Kolleg*innen vom Deutschen Roten Kreuz, der Caritas und dem Paritätischen Gesamtverband haben wir uns auf die Suche nach Antworten gemacht. Für unsere Diskussionsrunde am Aktionstag konnten wir Lucienne Böhm; Projektkoordinatorin „Smart Surfen“ der Verbraucherzentrale Brandenburg, Sabine Baumann, fachliche Leitung im abgeschlossenen Projekt „Next DigiStep“ des Paritätischen Gesamtverbandes, Landesverband Baden-Württemberg und Dr. Christian Bernhard-Skala; Wissenschaftlicher Mitarbeiter vom Deutschen Institut für Erwachsenenbildung e.V. gewinnen. An der digitalen Fishbowl nahmen 40 Personen teil.

Welche Kompetenzen braucht es?

Dr. Bernhard-Skala begann mit einer Einschätzung aus wissenschaftlicher Perspektive. Digitale Kompetenzen seien zwar bei vielen Erwachsenen vorhanden, hingen jedoch stark von Bildungsabschluss und Berufstätigkeit ab. Insbesondere vulnerable Personen hätten oft eine geringere digitale Grundbildung. Die Suche von Wohnungen und Jobs, Terminvereinbarung beim Arzt oder bei der Behörde ginge oft nur digital und hier kämmen digital gering Literarisierte an ihre Grenzen. Gute Rückschlüsse auf die nötigen digitalen Kompetenzen gebe der EU-Referenzrahmen DigiComp. Für Deutschland hat die KMK ein darauf basierendes Handlungskonzept für die zukünftige Entwicklung der Bildung in Deutschland vorgelegt.

Bedarfe vulnerabler Zielgruppen

Frau Baumann berichtete von ihrer Projekterfahrungen, bei denen die digitale Teilhabe von vulnerablen Zielgruppen durch niederschwellige, mehrwöchige Schulungsprogramme verbessert wurde. Dabei war es entscheidend, die individuellen Bedürfnisse und Fähigkeiten der Teilnehmenden in den Fokus zu nehmen. Eine persönliche Beratung und Betreuung sowie die Anpassung der Inhalte an die Bedarfe der Teilnehmenden erwiesen sich als Schlüssel zum Erfolg. Gleichzeitig brachte das Projekt über das Lernen in Kleingruppen Menschen mit ähnlichen Lebenslagen zusammen.

Diese Erfahrungen wurden aus dem Publikum geteilt: Gerade für Vulnerable brauche es nicht nur Informationsangebote oder Kurse, sondern eine persönliche Begleitung. Eine lebensweltliche Orientierung sei ebenfalls von großer Bedeutung.

Frau Böhm berichtet aus ihrem laufenden Projekt, in dem Multiplikator*innen für Kompetenzvermittlung geschult werden. Die Qualifizierung basiert auf einer Schulung, welche die Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz für Multiplikator*innen bei der Arbeit mit Senior*innen entwickelt hat. Verbraucher*innenschutz, Medienkompetenz und Datensicherheit ständen im Mittelpunkt. Das Curriculum passe man gerade auf die Bedarfe von Menschen mit Migrationshintergrund und Menschen mit Behinderung an. Hier wird bereits unterschiedlichen Bedarfen Rechnung getragen und die Zielgruppe eingebunden.

Die Expert*innen-Runde und Diskussion haben die Einschätzungen aus unserem Projekt bestätigt. Angebote für die digitale Teilhabe vulnerabler Zielgruppen müssen individuelle und lebensweltliche Bedarfe aufgreifen. Der Digitaltag 2023 hat ebenfalls gezeigt, dass es noch viel zu tun gibt, um vulnerable Zielgruppen in der digitalen Welt besser zu unterstützen und ihnen die Teilhabe zu ermöglichen, die für eine gleichberechtigte Teilnahme an unserer Gesellschaft unabdingbar ist. Wir haben aber auch erlebt, wie fruchtbar der Austausch sein kann. Daher haben wir ein verbändeübergreifende Materialsammlung zum Thema digitale Kompetenzen begonnen, an der sich gerne beteiligt werden kann.