Als wir vor ca. drei Jahren mit den Planungen für dieses Projekt begannen, war die Pandemie und ihre Auswirkungen noch nicht abzusehen. Doch schon zu diesem Zeitpunkt war offensichtlich, dass die Digitalisierung unser Leben in nahezu allen Bereichen verändert hatte und es bis heute tut. Einerseits bieten digitale Technologien ganz neue Chancen, das private Leben, den beruflichen Alltag, die Freizeit, das ehrenamtliche Engagement – und damit Gesellschaft in Kleinen wie im Großen – zu gestalten. Andererseits werden diese Möglichkeiten bisher nicht umfassend und v.a. nicht für alle Gruppen von Menschen ausgeschöpft. Gerade Menschen mit Behinderung und Menschen mit Armutserfahrung bleiben hinter ihren Möglichkeiten zurück. Der D21 Digital Index[1] bietet jährlich einen Lagebericht zu Digitalisierungsgrad in Deutschland. Er zeigt zwar, dass die Zahl der „digital Abseitsstehenden“ mit den Jahren zurückgeht, jedoch immer noch knapp 10-15% Bevölkerung ausmachen. Diese Menschen sind von vielen kommunalen und kommerziellen Dienstleistungen ausgeschlossen, ebenso wie von vielen digitalen Formen der Kommunikation. Ein Beispiel aus der Praxis: Werden in einer ländlichen Region die Fahrkartenautomaten an Bahnhöfen und Zügen abmontiert, sind Menschen ohne Smartphone und Nahverkehrs-App außen vor. Es lässt sich konstatieren, dass sich bestehende Exklusionsprozesse im digitalen Raum verstärken. Die Chancen digitaler Teilhabe sind in dreifacher Hinsicht – Teilhabe an, durch und in digitalen Technologien / Medien – ungleich und ungerecht verteilt. Neben der spezifischen Beeinträchtigung spielen dabei die jeweiligen lebensweltlichen Hintergründe eine Rolle, aber auch die fehlende Verfügbarkeit digitaler Technologien und fehlende Barrierefreiheit. Die Dominanz digitaler Räume und Angebote, die sich in unserer Gesellschaft inzwischen entwickelt hat, führt insbesondere für Menschen mit wenigen sozialen Kontakten (Familie, Freunde, Arbeitskollegen, Vereinsmitglieder, Nachbarn, etc.) zum weiteren sozialen Rückzug. Damit können Tendenzen der sozialen Isolation und Vereinsamung weiter verstärkt werden. Die Chancen der Digitalisierung – hier vor allem der Ausgleich von Beeinträchtigungen, neue Zugänge zu gesellschaftlichen Bereichen, mehr Autonomie und selbstbestimmtes Leben, Erweiterung von Kompetenzen und Vernetzung – können so von Menschen mit Behinderung nicht wirklich genutzt werden. Analoge und digitale Mechanismen des Ausschlusses kommen damit zusammen und verstärken sich gegenseitig.

[1] Vgl. D21 Digital Index 2021/22. Jährliches Lagebild zur Digitalen Gesellschaft; Hrsg: Initiative D21 e.V., 2022, abgerufen am 30.05.2022 unter: https://initiatived21.de/app/uploads/2022/02/d21-digital-index-2021_2022.pdf